In einem Artikel von Spiegel Online mit dem Titel "
Die Blase 2.0" wird die Behauptung aufgestellt, bei dem momentan aus den USA herüberschwappendem Web 2.0 Boom handele es sich um eine Retro-Bewegung ohne Substanz.
Retro in dem Sinne, daß vor dem Internet-Boom vorhandene "social networks" jetzt wieder aufleben, und Retro auch in dem Sinne, daß wie zu Zeiten des ersten Internet-Booms großspurige Unternehmensgründer wieder das Blaue vom Himmel (Wachstum, Redite) versprechen, und für Firmen die keine Gewinne erwirtschaften astronomisch hohe Kaufpreise gezahlt werden.
Als jemand der seit Anfang der 80er Jahre des vorherigen Jahrhunderts im Netz aktiv ist , kann ich aus eigener Erfahrung dem Spiegel-Artikel nicht vollständig zustimmen.
Weit vor dem Siegeszug des "Web" gab es bereits weltumspannend "social networks". Diese unterschieden sich nur in zwei Punkten von den heutigen als neu dargestellten "social networks":
- 1. Sie waren völlig unkommerziell. Kommerzielle Werbung war in ihnen verpönt
- 2. Sie basierten auf der damals aktuellen Technik und waren daher meist nur textbasiert und optisch spartanisch aber trotzdem sehr effizient und ergonomisch
Durch die Kommerzialisierung des Internet verloren diese "social networks", da sie auch ohne Web funktionierten, und das Web für die Teilnehmer selbst zu wenig Vorteile bot, immer mehr an Bedeutung. Internet-Surfer wurden immer mehr reine passive Konsumenten von Webseiten.
Als dann aber mit Hilfe wiederentdeckter Web-Techniken plötzlich ganz neue und interaktivere Webanwendungen entwickelt werden konnten, hat dieses auch zu einer wieder aufflammenden Interaktion der Teilnehmer geführt. Die "
alten Veteranen" standen dieser Technik zwar immer noch skeptisch gegenüber, doch inzwischen war eine neue Generation nachgewachsen, die sich auf die neuen Techniken dankbar stürzte. Allerdings fehlt dieser neuen Generation von Internet-Usern völlig die Ablehnung von Werbung als Teil ihrer sozialen Interaktion mit Anderen.
Ab einem gewissen Lebensalter neigt man zwar leicht zu der Meinung "
ist alles schonmal dagewesen", daher der Retro Vorwurf, doch tatsächlich handelt es sich bei den heutigen "social networks" um eine neue und andere Stufe der Interaktion und Kommunikation, als es sie vorher gab. Also definitiv kein "Retro".
Anders sieht es bei verschiedenen Unternehmen und Personen aus, die versuchen aus dem momentanen Boom Gewinn herauszuschlagen. Es gibt wieder die Aufschneider, Schaumschläger und Selbstdarsteller, die versuchen mit tollen Ideen und schöngerechneten Business-Modellen an das Geld anderer Leute zu kommen. Und es gibt wieder die Venture-Capital Firmen, die in der überheizten Hoffnung auf gigantische Gewinne astronomische Summen für Firmen zahlen, die noch nie gezeigt haben, daß sie auch ernsthaft Geld verdienen können.
Diese Internet-Blase, die sich erstmal noch weiter aufheizen wird, wird wieder platzen, so wie schon die erste Internet-Blase geplatzt ist. Liegt denn der Internet-Börsen-Crash schon wieder so lange zurück, daß die gleichen Fehler wieder gemacht werden?
Sollte der Titel einer Fernsehdoku über den Internet-Boom mit dem Titel
Gier frisst Hirn universelle Wahrheit erlangen und sich wiederholen ?
Mein abschliessendes Fazit: Das Web 2.0 ist keine Retro-Bewegung, aber der Anfang für die Blase 2.0 ist bereits gemacht. Man kann nur hoffen, daß diesesmal die Blase nicht zu groß wird.
Geschrieben von af in am: Montag, 6. November 2006
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Tags: Blase 2.0, Web 2.0, social networks, communities, Börsen-Crash, Retro
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