INS-ecommerce

Gier frisst Hirn - Zocken mit den neuen DE-Domains

Letzten Donnerstag am 15.10. hat der DE-NIC Vorstand bekanntgegegen, daß ab dem 23.10. (also ab morgen) auch ein- und zweibuchstabige Domains sowie reine Zifferndomains erlaubt sein werden. Seit dem wird hinter den Kulissen gezockt, bis sich die Balken biegen und bei dem einen oder anderem das Hirn aussetzt.

Der Hintergrund

Ganz am Anfang der DE-Domain bestand das DE-NIC aus einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Informatik der Uni-Dortmund, der seine ganz eigenen Regeln machte. Danach waren Domains mit nur zwei Buchstaben grundsätzlich verboten, Domains mit drei Buchstaben nur für große deutschlandweit aktive Konzerne gestattet und alle anderen sollten nur Domains nach dem Schema "name-stadt.de" bekommen (was bei den Universitäten am besten klappte). Wenn man jedoch sehr gute Argumente hatte, konnte man auch andere Domains bekommen. So gelang es mir nach langer, heftiger Diskussion "ins.de" (als damals noch studentischer Einzelkämpferfirma) zugeteilt zu bekommen. Der Heise Verlag bekam die Domain "ix.de", was nicht verwunderlich war, weil einige Hiwis der IRB (Informatik Rechner Betriebsgruppe) damals für die Zeitschrift "iX" Artikel schrieben.

Seit dem haben sich zwar die Verantwortlichen und die Regeln des DE-NIC immer wieder geändert, an dem Verbot von Domains mit nur zwei Buchstaben wurde aber eisern festgehalten. Als Kuriosum blieben die meisten der Domans der Anfangszeit wie ix.de, db.de und einige wenige andere allerdings erhalten.

Der Auslöser

Und dann kam der Volkswagen Konzern und wollte unbedingt die bisher verbotene Domain "vw.de" haben, und argumentierte mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen wie z.B. "bmw.de". Und das anwaltliche Schwergewicht Volkswagen klagte sich über Jahre durch alle gerichtlichen Instanzen, bis es mit höchstrichterlichem Segen "vw.de" bekam und die Richter dabei die DE-NIC Vergabepraxis kippten.

Der DE-NIC Schnellschuss

Für viele überraschend verkündete der DE-NIC Vorstand dann letzten Donnerstag plötzlich, dass nur mit einer Woche Vorlauf ab Freitag dem 23.10. die bisherigen Beschränkungen aufgehoben werden und auch Domains mit einer oder zwei Stellen sowie reine Zifferndomains erlaubt sein werden. Es wird keine der sonst üblichen mehrstufigen und über Wochen angekündigten Phasen, bei der zuerst Rechte-/Markeninhaber Domains registrieren können, geben. Alle über 270 DE-NIC Mitglieder können ab morgen 9 Uhr Registrierungen schicken. Diejenigen, die zuerst beim DE-NIC eingehen, gewinnen.

Die Domain-Zocker

Seit dem rumort es hinter den Kulissen vieler DE-NIC Mitglieder und deren Kunden. Da jedes DE-NIC Mitglied nur eine begrenzte Zahl an Anträgen pro Minute schicken darf, sind zwar alle DE-NIC Mitglieder gleichberechtigt, aber diejenigen Domainanträge, die zuerst von dem jeweiligen Provider ans DE-NIC geschickt werden, haben eine viel größere Chance, als später ans DE-NIC geschickte.

Hinter den Kulissen wird fleissig optimiert und bei einigen Providern soll die Reihenfolge, in der sie ihre Domains ans DE-NIC schicken, nicht Streng nach der Reihenfolge des Eingangs der Vorbestellungen erfolgen, sondern kann über "Sonderzahlungen" weiter nach oben geschoben werden, um so die Chancen zu erhöhen.

Mal ganz abgesehen davon, dass einige Provider die Domains gar nicht erst an Kunden zur Reservierung geben, sondern die einfach selbst vorbestellen, um diese hinterher für einen viel höheren Preis als die DE-NIC Gebühr, weiterzuverkaufen oder zu versteigern.

Und auf der Endkundenseite der Domain-Zocker gibt es dann natürlich die Strategie, bei möglichst vielen DE-NIC Mitgliedern die gleichen Domains vorzubestellen, weil das auch die Chancen erhöhen kann, die vorbestellten Domains zu bekommen und eben Provider zu finden, die gegen eine Bonus-Zahlung bereit sind, die eigenen Vorbestellungen möglichst hoch anzusiedeln.

Die Gier der unseriöse Geschäftemacher unter den DE-NIC Mitgliedern


Der Normfall wird aus seriösen DE-NIC Mitgliedern bestehen, die jetzt selber keinerlei Domains vorbestellen, und die die Aufträge ihrer Kunden in der Eingangsreihenfolge abarbeiten und an das DE-NIC schicken und dafür dann auch nur die "normale" DE-Domain Registrierungsgebühr im Erfolgsfalle verlangen.

Aber es gibt auch ein paar unseriöse schwarze Schafe, die selber das schnelle Geld machen wollen.

So soll es Mitarbeiter von Providern geben, die selber interessante Domains vorbestellt haben um diese später zu verkaufen, noch bevor sie es ihren Kunden erlauben und die dafür sorgen, dass ihre eigenen Bestelllungen zuerst ans DE-NIC gehen.

Und dann gibt es einige Provider die 20.000, 30.000 oder sogar über 90.000 Euro für eine erfolgreiche Registrierung von ein oder zweistellingen Domains verlangen. Diese spekulieren natürlich auf jene Domaingrabber, die versuchen, bei möglichst vielen Providern Domains vorzubestellen, um ihre Chance zu erhöhen.

Oder diejenigen, bei denen die bei erfolgreicher Registrierung fälligen Kosten zwar gering sind, aber bei denen die gleiche Domain beliebig oft vorbestellt werden kann, und jede Vorbestellung, unabhängig vom Erfolg, Geld kostet. Das ist natürlich ebenso unseriös gegenüber denjenigen, die eine bereits bei diesem Provider vorbestellte Domain vestellen, denn Sie zahlen dafür obwohl Sie keine Chance auf die Domain zu haben (seriöse Provider lassen pro Domain nur eine Vorbestellung zu).

Oder diejenigen, die bei einem "first come, first serve" Provider als erste eine Domain vorbestellt haben, und die jetzt bei diversen Auktionsplattformen nur das Recht versteigern, diese Pole-Position zu übernehmen. Ebenfalls ohne jede Registrierungsgarantie.

Gewinner und Verlierer

Wer sind jetzt die Gewinner und die Verlierer der ganze Aktion?
Es werden morgen Domains im geschätzten Wert von 15-20 Millionen Euro reserviert werden. Da wollen viele die schnelle Million.

Gewinner sind ganz klar die schnelle Domain-Grabber- und Zocker, auf die morgen fast alle (so meine Prognose) neuen Domains registriert werden und die hoffen, diese mit großen Gewinn weiterzuverkaufen.

Gewinner sind ebenfalls ein paar nicht ganz so seriöse DE-NIC Mitglieder, die ebenfalls morgen das schnelle Geld machen.

Gewinner werden ebenfalls Anwälte für Marken-/Namensrecht sein. Denn diese werden im Aufrag der Rechtehinhaber ab morgen sicherlich die Domaininhaber anschreiben und auf Domainübertragung u.a. verlangen und später vermutlich klagen.

Die Verlierer sind: Alle anderen, die durchaus berechtigte Ansprüche haben könnten, aber sich nicht tagtäglich mit dem Domainthema beschäftigen und daher nicht ohne Vorwarnung innerhalb von 1-2 Tagen reagieren konnten.

Fazit

Bei jedem, mit dem ich bisher darüber gesprochen habe, ist die Entscheidung des DE-NIC, es auf diese Weise so kurzfristig und ohne mehrere Phasen zu machen, ein Rätsel. Keiner von diesen glaubt dabei an rationale, sachliche Gründe und Überlegungen. Die meist geäusserte Vermutung lautet: Trotz-/Kurzschlussreaktion des DE-NIC Vorstandes.

Im Ergebnis hat das DE-NIC damit der DE-Domain einen schlechten Dienst erwiesen. Daran werden auch die offiziellen Lobhudeleien, die ab morgen von Jubelpersern und den glücklichen Gewinnern dieses eigentlich in Deutschland illegalen Glücksspieles (so könnte man es auch sehen) verkündet werden, nichts ändern. Für diese Minderleistung sollte der DE-NIC Vorstand zurücktreten.


Geschrieben von af in am: Donnerstag, 22. Oktober 2009
Permalink

Tags: , , , ,

Diesen Beitrag bei folgenden Diensten bookmarken:
del.icio.us - Digg it - Mister Wong - Technorati - Ruhr.com Suchmaschine

Kommentare
  • Ralf Donnerstag, 22. Oktober 2009, 21:29 Uhr
    Domains im wert von 15-20 Millionen Euro?

    Wir reden hier über theoretisch rund 16.600 mögliche Domains, von denen allerdings nur 1560 "sinnvoll" (Buchstaben, Ziffern und Umlaute) sind. Damit wäre jede "sinnvolle" Domain rund 10.000 Euro wert, bzw. jede theoretisch mögliche immer noch 1.000 Euro.
    Beide Werte halte ich für völlig überzogen. Bei vielen zweistelligen Domains ist die Gefahr groß das diese bereits durch Markenrechte geschützt sind. Sie würden also von vorne rein nicht so viel wert sein.
    Die ersten Verlierer wären also diejenigen, die völlig überzogene preise für nahezu wertlose Domains bezahlen.

    Zum anderen gibt heutzutage kaum noch jemand "auto.de" oder "waschmaschine.de" in die Adresszeile ein wenn er ein entsprechendes Produkt sucht. Wahrscheinlich werden heutzutage fast alle Webseiten über Suchmaschinen gefunden, ggf. noch über Links. Punktet die Webseite beim Besucher, wird sie per Tastendruck oder Mausklick in den Favoriten abgespeichert.
    Es ist also mittlerweile fast unerheblich wie lang oder kompliziert der Domainname ist. Dies könnte höchstens bei der Mund-Zu-Mund-Prpaganda wichtig sein. Und da können zweistellige Domainnamen sogar nachteilig sein. Wenn mir z.B. jemand am Telefon sagt "Geh doch mal auf eb.de", dann ist die Gefahr groß das ich "ed.de" oder "cb.de" verstehe. Hier sind Domains mit generischen Wörtern auf alle Fälle klar im Vorteil.

    Wer einen fünfstelligen Betrag in eine zweistellige Domain investiert anstatt in SEO-Maßnahmen, der dürfte entweder einen an der Waffel haben oder der geborene Verlierer sein.

    Viel interessanter dürften die Zahlen-Domains sein. Ich denke da an 0800.de oder 110.de. Und hier ist das Feld weitaus größer gestreut. Es gibt viel mehr Möglichkeiten als das jede gute von einen Domaingrabber berücksichtigt werden könnte. Die eigene Telefonnummer als Domain, wäre z.B. für viele Firmen sehr reizvoll. Hier kommt dann auch noch der rechtliche Aspekt ins Spiel. Ob man sich seine Telefonnummer rechtlich wie einen Markennamen schützen lassen kann?

    Ich bin mal gespannt wer sich de.de schnappt. Ob die Denic die für sich selbst schon reserviert hat?
  • Andreas Freitag, 23. Oktober 2009, 10:48 Uhr
    Gestern Abend war der Wert (gemessen am Preis den Interessenten dafür bereit waren zu zahlen) allein bei den SEDO-Auktionen bei über 6 Millionen Euro.

    Der Preis wird durch Angebot und Nachfrage festgelegt. Die Nachfrage war groß und das Angebot gering. Das treibt den Preis hoch. Und durch die unnötig kurze Frist hat das DE-NIC das ganze noch mehr angeheizt. Nicht ohne Grund steht in der Überschrift "Gier frisst Hirn" - mit rein rationalen Überlegungen kann man das nicht erklären, was seit letzter Woche Donnerstag abgelaufen ist.

    Und ja, "de.de" hat sich das DE-NIC selber genommen. Auch andere Domains wurden aus der "normalen" Zuteilung rausgenommen. So wurde "o2.de" schon um kurz nach 8 Uhr heute früh registriert, obwohl die offizielle Vergabe erst um 9 Uhr startete.

    Daneben gab es dann auch noch verschiedene einstweilige Verfügungen, aufgrund derer das DE-NIC noch verschiedene andere Domains aus dem Vergabeverfahren herausnehmen musste.

  • Ralf Freitag, 23. Oktober 2009, 16:39 Uhr
    Das einige Domains nicht "frei" verfügbar sind (waren), dürfte klar sein. Und eben jene nicht frei verfügbaren Domains wären jedoch die interessantesten gewesen. Von daher verstehe ich das ganze Bohei ohnehin nicht.

    Das Vergabeverfahren ist aber auch ein wenig merkwürdig, um nicht zu sagen willkürlich. Das 110.de an das Innenministerium ging, war ja absehbar. Ich glaube auch nicht das es da viel zu diskutieren gibt. warum jedoch 112.de frei vergeben wurde, geht mir nicht in den Kopp rein. Was erwartet denn ein Nutzer wenn er 112 in die Adresszeile eintippt? Etwa einen Online-Sexshop? Solche Domains hätte man mit Recht aus der Vergabe raus nehmen können.
  • Pottblog Montag, 26. Oktober 2009, 06:26 Uhr
    Pot(t)pourri (112) Potpourri, frz.: Allerlei, kunterbunte Mischung Pot(t)pourri, dt.: Kurze vermischte Beiträge im Pottblog *** Vor kurzem berichtete ich über den Run auf die neuen .de-Domains. Wie bereits im vorherigen Pot(t)pourri (111) berichtet, habe ich do...

Nächster Artikel: Der Westen: Dümmer als es die Polizei erlaubt?

Vorheriger Artikel: Eine Woche ohne Google