Ausgelöst durch einen Artikel in der
Blogbar in dem am Beispiel StudiVZ überspitzt dargestellt wird, wie scheinbar harmlose und für Fremde legal zugängliche Daten von Unternehmen zur Beurteilung von Bewerbern genutzt werden könnten, entwickelt sich gerade eine Diskussion zu "Privatsphäre und Internet" in verschiedenen Blogs.
Robert Basic
schreibt:
- Das muss mE zur Privatsphäre des Menschen dazugezählt werden!!! Hier ist ein Umdenken notwendig. Internet ist nicht gleich öffentlicher Raum, User haben ebenso an ihren Gedanken und Daten das Recht auf “Verwertung (explizit) und Verwertungsuntersagung (non-explizit)” wie es sowieso schon längst beim Urheberrecht zB mit Bildern gehandhabt wird. Die momentane Denke ist imho falsch.
Das geht meiner Meinung nach am Kernproblem vorbei.
Das Internet ist ein öffentlicher Raum
Das Internet (genauer: öffentlich zugängliche Webseiten) ist seit seinem Entstehen de-facto ein öffentlicher Raum. Jeder, der eine Information veröffentlicht, sei es in einer Newsgroup, einem Forum oder einem Blog, oder sonstwie auf einer frei zugänglichen Webseite, muß damit rechnen, daß er oder sie die absolute Kontrolle über die veröffentliche Information verliert. Wer das bei bestimmten Informationen nicht will, sollte diese einfach nicht veröffentlichen. Das "Internet" hat ein langes Gedächtnis, vergessen geglaubte Informationen können auch nach Jahren wieder auftauchen.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum
Im Internet gelten die gleichen Gesetze der Staaten und Länder, die auch ausserhalb des Internet gelten. Eine Forderung nach weiteren Gesetzen ist verfehlt, da die bestehenden Gesetze die Problemfelder bereits abdecken. Wer jedoch freiwillig Informationen veröffentlich, so daß sie in andere Länder (mit anderen Gesetzen) wandern, bekommt jedoch, speziell als Privatperson, ein großes Problem bei der Durchsetzung der eigenen Interessen.
Das Urheberrecht
Insofern gilt z.B. in Deutschland auch das deutsche Urheberrecht, welches einem Urheber erlaubt festzulegen, wie sein geistiges Eigentum verwertet werden darf. Das gilt nicht nur für Bilder, wie es Robert schreibt, sondern auch für Texte und andere Werke. Allerdings braucht es zum Schutz einer gewissen "Schaffenshöhe" eines Werkes, nicht jeder Blog-Eintrag oder Kommentar dürften diese erreichen.
Die Informationelle Selbstbestimmung
Das Recht auf die Informationelle Selbstbestimmung kommt laut dem Bundesverfassungsgericht (Volkszählungsurteil von 1983) einem Grundrecht gleich. Danach darf jeder Mensch selber bestimmen, wie seine personenbezogenen Daten weitergegeben und genutzt werden. Interessant dabei ist, daß das Bundesverfassungsgericht bereits damals feststellte, daß es keine
belanglosen Daten gebe, da auch scheinbar belanglose Daten durch Kombination mit anderen Daten einen höheren Stellenwert bekommen können. Erschreckend, wieviele Netz-Teilnehmer dieses Grundrecht nicht kennen.
Die Datenspur
Jeder Mensch erzeugt durch sein Tun und Handeln bei Anderen ein Bild, wie sie ihn sehen. Das lässt sich kaum vermeiden. Wenn sich jemand im Netz bewegt und dort Informationen und Meinungen veröffentlich (und so eine Datenspur erzeugt), erzeugt er ebenso ein Bild von sich, aufgrund dessen ihn Andere Beurteilen und Einschätzen. Auch das ist so. Wenn ich das nicht möchte, darf ich keine Datenspur erzeugen.
Wenn ich nicht möchte, daß jemand Informationen über mich bekommt, dann darf ich diese auch nicht veröffentlichen. Ganz einfach.
Die vermeintliche Privatheit von Blogs
Nicht anders verhält es sich mit Blogs. Jeder Blogeintrag und jeder Blog-Kommentar, der ohne Zugangsschutz für Fremde sichtbar ist, ist eine Veröffentlichung. Immer wieder lese ich über die Privatheit von (öffentlichen) Blogeinträgen, die nicht für Fremde gedacht sind - die gibt es aber nicht!
Das Thema Benutzerprofile und deren Analyse mittels der "Datenspur" ist ein vergleichsweise altes Internet-Thema (seit über 10 Jahren), das aber leider in der letzten Zeit bei vielen neuen und wenig erfahren Internet-Teilnehmern, und damit auch Bloggern, in Vergessenheit geraten ist.
Wer in seinem Blog (echte Beispiele, Links jedoch bewusst nicht gesetzt) über seine Krankheit und trotzdem ungesunde Lebensweise schreibt, oder wie er sich auf eine Prüfung mit Spickzetteln vorbereitet, oder wie sehr er seine Arbeit hasst und deswegen oft Montags Blau gemacht hat, oder wie er der Krankenkasse einen gefälschten Beleg eingereicht hat (weil er kein Geld hatte...), etc etc etc ... muss damit rechnen, daß auch Andere (der Chef, die Ausbilder/Lehrer, die Krankenkasse, Kollegen etc...) an die man nicht denkt, dieses lesen und ihre eigenen Schlüsse und Konsequenzen daraus ziehen.
Über die Naivität solcher Blogger, die darin verschiedenen StudiVZ-Teilnehmern in nichts nachstehen, bin ich regelmäßig erschrocken. Diese Naivität darf man aber nicht dadurch noch weiter fördern, in dem man behauptet, das Web solle kein öffentlicher Raum sein, und man dürfe aus frei zugänglichen Informationen nicht seine eigenen Schlüsse ziehen.
Wenn die Diskussion nun dazu führt, daß Netizens (Netz-Teilnehmer) ihre Datenspur die sie hinterlassen etwas bewusster wahrnehmen und entsprechend handeln, wäre schon einiges erreicht.
Geschrieben von af in am: Mittwoch, 6. Dezember 2006
Permalink
Tags: Privacy, Blogs, Datenspur, Internet, Informationelle Selbstbestimmung
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Kommentare
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Der "öffentliche Raum" bietet viel Freiheit. Wie ich aber drüben
... drüben (bei Robert Basic) schon gesagt habe: Freiheit bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung im Sinn von EIGEN-Verantwortung!