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Zensursulas Sündenfall

Das von Frau von der Leyen (die von Kritikern deswegen den Spitznamen "Zensursula" bekam) initiierte und vom Bundestag letzte Woche beschlossene Gesetz zu Internetsperren wird ja gerne als der grosse Sündenfall der Internet-Zensur in Deutschland angesehen. Ich sehe das etwas anders.

Der "Sündenfall" ist bereits lange vorher passiert.
Vor ein paar Jahren hat der Düsseldorfer Regierungspräsident Büssow "Sperrungsverfügungen" für alle ihm bekannten Internetprovider in seinem Zuständigkeitsbereich verhängt. Allerdings ging es Herrn Büssow damals nicht um die Sperrung von Kinderpornoseiten, sondern um die Sperrung von (meist in den USA befindlichen) rechtsradikalen Webseiten.

Viele Provider haben die Sperrungsverfügungen damals, mal murrend, mal kommentarlos umgesetzt. Einige wenige haben sich über den ECO e.V. koordiniert und sind dagegen den Rechtsweg (d.h. Klagen bei Verwaltungsgerichten) gegangen, weil sie diese Zensurbestrebungen für grundsätzlich falsch hielten. So auch der Internet-Provider, bei dem ich damals für diese Sperrungsverfügungen u.a. zuständig war, weshalb ich mich da noch gut daran erinnern kann.

Das Gesetz ist praktisch völlig nutzlos!
Bereits damals bei Büssows Sperrungsverfügungen wurden sowohl von den Providern als auch den offiziellen Stellen die verschiedensten technischen Verfahren im Detail diskutiert und auf ihre Machbarkeit und Effizienz verglichen. Das für mich auch damals nicht überraschende Ergebnis: Die DNS-Sperre ich das schlechteste und ineffizienteste aller Verfahren.

Genau diese DNS-Sperre ist jetzt aber im von-der-Leyen Gesetz festgeschrieben. Büssows damaliger Vorstoß ist doch schon lange bei den diversen Bundesbehörden bekannt gewesen. Ja herrscht denn im Familienministerium der Rinderwahnsinn? Ich denke nein.

Ich denke nicht, dass das Gesetz das Ziel hat, tatsächlich Webseiten effektiv zu sperren und auch nicht zum Ziel hat die Internet-Zensur durch die Hintertür einzuführen. Wenn man sich mal die "Eckdaten" des Gesetzes durchliest (praktisch nutzlose DNS-Sperre, nur Access-Provider mit über 10.000 Kunden betroffen, das Gesetz ist nur drei Jahre lang gültig, etc..) scheint es sich eher nur um ein populistisches Feigenblatt für den Wahlkampf zu halten.

Wenn Frau von der Leyen wirklich Zensur effektiv hätte ausüben (für den guten Zweck, den Schutz der Kinder ...) wollen, hätten ihr einschlägige Fachleute zur Verfügung gestanden, um das "richtig" umzusetzen:

Beispiel: Ich kann mich noch an eine Podiumsdiskussion damals mit Herrn Büssow erinnern, als jemand mit stolzgeschwellter (ja, tatsächlich) Brust glaubhaft erklärte, die vom Regierungspräsidenten vorgeschlagenen Sperrtechniken seien alle ineffizient. Er wäre bei einer Firma tätig, die im Auftrag der Chinesischen Regierung Techniken und Verfahren für eine Infrastruktur entwickelt, um dort die Landesweite Zensur von Webseiten umzusetzen, was recht schwierig sei, wenn man es "gut" (=effektiv) machen wollte. Er würde gerne helfen, auch hier für die Regierung die besten Verfahren umzusetzen.

(Randbemerkung: Neben anderen tollen Dingen exportiert Deutschland also auch seit Jahren Internet-Zensur.)

Der eigentliche Sündenfall
Der eigentliche Sündenfall liegt in meinen Augen nicht darin, zu versuchen die Internet-Zensur in Deutschland einzuführen, sondern ein völlig überflüssiges Gesetz aus "niederen" Motiven (Wahlkampftaktik, Populismus) verabschiedet zu haben. Das aber, man verzeihe mir meinen Zynismus, halte ich bei Politikern für nichts aussergewöhnliches mehr.

Nichtsdestotrotz kann jeder Wähler in einer Repräsentativen Demokratie auch nach solch einer Gesetzesentscheidung noch seine Meinung durch Stimmabgabe kundtun. Dank Abgeodnetenwatch kann man einfach sehen, welcher Abgeordneter aus dem eigenen Wahlkreis für das Gesetz gestimmt hat. Zumindest die für meinen Wahlkreis zuständigen Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) und Philipp Mißfelder (CDU) werden daher auf meine Wählerstimme in Zukunft verzichten müssen, und ich bin hochmotiviert, als mündiger Bürger bei den nächsten Wahlen mein Wahlrecht auch auszuüben.


Geschrieben von af in am: Montag, 22. Juni 2009
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